Kinder Sehentwicklung:
Wir werden alle mit sehr geringer Sehschärfe geboren. Das Sehvermögen eines Neugeborenen beträgt 0,03 (= 3%). Das Sehen verbessert sich sehr rasch während der ersten Lebenswochen, wenn unsere Netzhaut in den Augäpfeln sowie die Sehbahnen und die Sehrinde im Gehirn ihre Vernetzungen zwischen den Nervenzellen entwickeln. Die Sehschärfe verbessert sich im Alter von drei Monaten auf 0,1 (= 10%) und ist mit sechs Monaten nah an den Werten eines Erwachsenen bei 1,0 (= 100%).
Nur in früher Kindheit ist die Sehschärfe bei Kinderaugen plastisch und verbesserbar. Das heißt: Sie bleibt schlecht oder verringert sich, wenn der Seheindruck eines Auges nicht verwendet wird. Zum Beispiel kann das infolge eines unbekannten Dioptrien-Sehfehlers oder bei unauffälligem Mikro-Schielen entstehen. All das ist für uns Eltern und Bezugspersonen in den meisten Fällen tatsächlich vollkommen unsichtbar (Ursachen dafür siehe Entwicklung einer Schwachsichtigkeit).
Die Sehschärfe gibt das Sehvermögen in der Mitte des Gesichtsfeldes an. Dies entspricht dem Zentrum der Netzhaut (Retina). Dieses zentrale Gebiet, die sogenannte Makula, hat einen Mittelpunkt mit einem winzigen gelben Fleck, der sogenannten Fovea. Bei der Geburt ist diese natürlicherweise noch nicht vollständig entwickelt und ähnelt zu diesem Zeitpunkt der umgebenden Netzhaut, wo die Sehschärfe bei Erwachsenen auch deutlich geringer als in der zentralen Fovea ist. Während der natürlichen Entwicklung der Fovea werden die inneren Schichten der Netzhaut vom gelben Fleck zur Seite geschoben und es bildet sich die charakteristische kleine Sehgrube (Fovea). Am Grund dieser flachen Vertiefung werden die farbsehenden Sinneszellen, die Zäpfchen, dicht zusammengedrängt. Diese Struktur in der Mitte unserer Netzhaut ist die anatomische Basis für die Bildung einer guten zentralen Sehschärfe und Sehleistung.

- a) Kindliche Fovea im Schnittbild (d.h. ohne Sehgrube)
- b) Normale = „erwachsene“ Fovea im Schnittbild (d.h. mit Sehgrube = fovealer Senke)
- c) Synapsen
- d) neuronales Netzwerk
- e) Nervenzelle mit Dendriten und ausgeschüttetem Neurotransmitter
- f) der Sehbahn (Netzhaut bis Sehrinde) einbauen
Gleichzeitig mit der Entwicklung der Schichten der Netzhaut und Netzhautmitte (=Fovea) vollzieht sich auch die rasche Ausbildung der Verbindungen in den Sehbahnen und in der Sehrinde. Die Fortsätze der Nervenzellen (Dendriten) wachsen und bilden dreidimensionale Kontakte zu ihren Nachbarzellen (neuronales Netzwerk). Wenn die Kontaktstellen dieser Nervenzellen (Synapsen) beim Sehvorgang tatsächlich auch verwendet werden, indem unsere kleinen Kinder sich einfach ihre Umwelt ansehen, werden die Sehinformationen zur Sehrinde weitergeleitet. Dadurch wird die Funktion dieser Nervenzellen natürlicherweise trainiert und die Basis für gutes Sehen gelegt. Wenn hingegen eine oder mehrere Synapsen nicht oder zu wenig benutzt werden und die Menge der chemischen Substanzen (Neurotransmitter) verringert ist, bleibt eine normale Entwicklung der kindlichen Sehschärfe aus. Die Sehleistung kann in solchen Fällen in späteren Kinderjahren oftmals nicht mehr zur Normalität gebessert werden.
Diese schlechte Sehschärfe nennen wir Amblyopie (Schwachsichtigkeit). Sie bedeutet, dass das Sehen schlecht ist während die Netzhaut, die Sehgrube und der Augapfel zugleich regelhaft angelegt sind.
Wichtig:
Schlechtes Sehen ist oftmals Folge eines für uns Erwachsene unbemerkten Sehfehlers und nicht Folge eines im Inneren fehlgebildeten Augapfels. Daher zeigen Aufnahmen mit dem Netzhautscanner in diesen Fällen eine regelhafte Netzhaut während die Sehleistung trotz Brille zeitlebens nicht auf 100% besserbar ist.
Schlechtes Sehen bei Kindern ist in den meisten Fällen ursächlich von außen nicht sichtbar. Es ist oftmals in einem Mikroschielen oder in einer Fehlsichtigkeit (Dioptrien) begründet.